Zum 170.sten Geburtstag von Lina Hähnle, Begründerin des Bundes für Vogelschutz
Deutschlands Vogelmutter und der Orientmaler Gustav Bauernfeind waren nicht nur Zeitgenossen: wären Sie nicht zu jung gewesen – sie hätten sich in der Sulzer Nachbarschaft sicher gekannt. Aber leider: Als die Familie Bauernfeind von Sulz nach Stuttgart umzog, war die kleine Lina gerade mal zwei Jahre alt und der Gustav fünf. Und die beiden Honorationen-Familien kannten sich bestimmt. Apotheker Sattler, der die Bauernfeindsche Apotheke am Marktplatz 1843 übernahm, wurde Pate von Lina. Johann Baptist Bauernfeind war ja in Sulz ab 1848 einer der Sulzer demokratischen „Revolutionäre“ und durfte als solcher die „gesiebte Luft“ auf dem Hohenasperg atmen. Danach hielt es ihn nicht mehr lange am Sulzer Marktplatz. 1853 übersiedelte die Familie nach Stuttgart.
Linas Vater Johannes Hähnle wohnte als Salineinspektor wohl in der Dienstwohnung in der „Saline“, dem Verwaltungsgebäude in der Bahnhofstraße. Heute erinnert eine Gedenktafel am Zweckbau der "Neckar-Apotheke" an die bedeutende Sulzerin, die hier am 3. Februar 1851 geboren wurde. Die Salinekarriere führte die Hähnles 1858 nach Rottweil und nach Schwäbisch Hall, wo der Vater 1866 starb.Die Mutter mit ihren sechs Kindern zog nach Tübingen.
Mit 20 Jahren heiratete Lina ihren Vetter Hans Hähnle in Giengen / Brenz, wo er geschäftstüchtig eine florierende Filzfabrik betrieb. Aus der harmonischen Ehe gingen acht Kinder hervor (zwei starben im ersten Lebensjahr). Lange Jahre wohnte die Familie dann in der stattlichen Villa in der Stuttgarter Jägerstraße.
Trotz der familiären und gesellschaftlichen Pflichten widmete Lina Hähnle ihre Zeit intensiv dem Naturschutz, genauer, dem Vogelschutz. Schon damals hatte sie die Gefahren für die Natur durch die Industrialisierung erkannt. Mit 48 Jahren gründete sie am 1. Februar 1899 den „Bund für Vogelschutz“ und stellte ihr Leben immer mehr in den Dienst ihrer Sache. In den nächsten Jahrzehnten machte sie Vortragsreisen durch ganz Deutschland. Sie kaufte an vielen Stellen Grünflächen, die sie mit ihrem Verein zu Naturreservaten einrichtete und betreute, über 200 in Deutschland. Der von ihr gegründete Verein fand weiten Anklang, überall wurden Ortsgruppen gebildet, Landesverbände folgten. Für ihr Werk wurde sie geehrt als Ehrenbürgerin von Giengen und Bad Buchau, und sie leitete den Verband bis 1938, wo sie den Vorsitz an Reinhard Wendehorst übergab.
Lina Hähnle starb als Deutschlands Vogelmutter mit fast 90 Jahren am 1. Februar 1941. Ihr Werk lebt bis heute fort als NABU (Naturschutzbund Deutschland).
In ihrer Geburtsstadt Sulz am Neckar wurde 2003 die Realschule zu ihrem Gedenken umbenannt in „Lina-Hähnle-Realschule“.
(Text von Paul Müller, Archivar im Stadtarchiv, 29.01.2021)
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